Wer das Wort „Wirklichkeit“ in einer kulturwissenschaftlichen Debatte verwendet, ist stets darum bemüht, Anführungszeichen zumindest anzudeuten, um sich nicht verdächtig zu machen, mit einem naiven Realitätsbegriff zu hantieren. Helmut Lethen, Direktor des IFK, ist diese Diskussion inzwischen leid, weshalb er sein Buch „Der Schatten des Fotografen“ der Frage widmet, in welchem Verhältnis Bilder und Fotografien zur Wirklichkeit stehen. Im Gespräch folgen wir nicht nur einigen Beispielen und theoretischen Bezügen, die im Buch besprochen werden – wie zum Beispiel die scheinbar idyllische Szene auf dem Coverfoto –, sondern reden auch über die Entstehung und den Schreibprozess. Für das Buch erhielt Helmut Lethen 2014 den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik. Unterstützt werde ich in dieser Episode von dem Philosophen Jakob Moser.
Ende des 19. Jahrhunderts erschien einigen Ingenieuren Pneumatik als Beförderungs- und Kommunikationstechnik der Zukunft. Mit Hilfe von Luftdruck statt Elektrizität sollten etwa Menschen in atmosphärischen Eisenbahnen transportiert oder Briefe in Büchsen durch die Stadt geschossen werden. Der Kulturwissenschaftler Florian Bettel hat sich mit den Anfängen der (Wiener) Rohrpost auseinandergesetzt. Er erklärt unter anderem, warum der Plan eines pneumatischen Leichentransports zum Wiener Zentralfriedhof scheiterte und wie sich die Stadtrohrpost in einigen Großstädten wie Wien, Paris oder Berlin etablierte. Während es Rohrpostanlagen in vielen Gebäuden heute noch gibt, gilt die Rohrpost als Sinnbild für überbordende Bürokratie – oder für das Internet.
Computerbasierte Simulationsmodelle haben einige Wissenschaften, wie die Atomphysik oder die Biologie, in den letzten Jahrzehnten maßgeblich verändert. Denn Forschung basiert nun nicht mehr nur auf den erprobten Verfahren von Theorie und Experiment, sondern versucht, Zukunft quantifizierbar zu machen – etwa zur Berechnung eines Restrisikos. Der Medienwissenschaftler Sebastian Vehlken arbeitet zur Theorie und Geschichte der Computersimulation und beschäftigt sich mit Schwarmforschung und Supercomputing. Er erklärt, welche Rolle Hollywood und Batman bei der Entwicklung von Simulationsmodellen spielte und warum Computersimulationen häufig Katastrophen imaginieren.
Wichtige Grundlagen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens scheinen sich im Moment zu verändern: Texte können mit Hilfe von Software kollaborativ verfasst werden, Quellen liegen häufig als Digitalisate und Onlineressourcen in Datenbanken vor. Die Publikation eines Aufsatzes erfolgt dann bei einem Open Access-Verlag. Diskutiert wird der Text anschließend nicht mehr nur mit FachkollegInnen auf der nächsten Tagung, die natürlich einen Twitterhashtag bekommt, sondern auch auf dem Projektblog, wo in zahlreichen Blogposts die Argumentation des Beitrages erläutert wird. Handelt es sich dabei lediglich um wenige Ausnahmen, oder erleben wir tatsächlich gerade einen ‚digital turn‘? Jan Hecker-Stampehl ist Historiker und mit zahlreichen Webpräsenzen sichtbarer Teil einer sich wandelnden Geschichtswissenschaft. In einem Forschungsprojekt untersucht er die Veränderungen der Geschichtskultur durch das Internet. Wir sprechen über die Auswirkungen des digitalen Wandels und über die Frage, ob es eine ‚digitale Geschichtswissenschaft‘ überhaupt gibt.
In den Jahren 1951 bis 1962 wurden an sechs Standorten in Deutschland insgesamt 4.000 Kriegs- und Nachkriegskinder für die Studie „Deutsche Nachkriegskinder“ medizinisch und psychologisch untersucht. Zwar bieten die Datenbestände für die Wissenschaftsgeschichte einen wichtigen Einblick in die Methoden und Arbeitsweisen der Psychologie in den 1950er Jahren, gleichzeitig eröffnet sich aber die Chance für eine einzigartige Langzeitstudie. Denn in einer Nachfolgestudie könnte die Entwicklung der „Nachkriegskinder“ über die gesamte Lebensspanne nachvollzogen werden, und das auf der Grundlage historischer Originaldaten, die bislang noch nie vollständig ausgewertet wurden. Voraussetzung dafür ist es allerdings, die „Nachkriegskinder“ wiederzufinden, und das auf Basis der Meldedaten aus den 1950er Jahren. Der Historiker und Psychologe Sascha Foerster machte sich deshalb auf die schwierige Suche nach den „Nachkriegskindern“. Eine Suche, die zumindest für ein Jahr, auf einem für wissenschaftliche Projekte noch immer ungewöhnlichem Weg finanziert wurde.
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